Kirchenmusik kann Kulturen verbinden

 

Aus dem Medienbericht in der Obwaldner Zeitung von Primus Camenzind

28. November 2023

 

Mit der «Misa Tango» des Argentiniers Martin Palmeri gelang den Kantoreien von Sachseln und Sarnen eine eindrückliche Verbindung abendländischer Kirchenmusik und dem Tango Nuevo.

 

Rund 80 Mitwirkende führten am Wochenende in Sachseln und Sarnen die «Misa Tango» des argentinischen Komponisten Martín Palmeri auf. Was die beiden Kantoreien von Sarnen, unter der Gesamtleitung von Valérie Halter, und Sachseln, Leitung David Erzberger, in hingebungsvoller Chorarbeit zur Konzertreife brachten, löste in den vollbesetzten Gotteshäusern der beiden Pfarreien nicht nur Respekt, sondern auch Gefühle aus, welche der Ergriffenheit nahekamen.

 

Palmeris veränderte Dramaturgie

Der Chorklang vom Kyrie bis zum Agnus Dei entsprach im Grundsatz und der Form nach der klassisch[1]kirchlichen Tradition. Nach wenigen Takten schon liess das Streichquintett in der Besetzung von 2 Violinen, 1 Viola, 1 Cello, 1 Kontrabass, verstärkt mit Bandoneon und Klavier jedoch erahnen, dass Palmeri in seinem Werk den uns vertrauten abendländischen Inhalten den «Tango Nuevo» im Stile eines Astor Piazzolla (1921–1992, Argentinien) gegenüberstellte. Was dem Komponisten in seiner «Misa Tango» jedoch gelang, ist die harmonische Verbindung und nicht die Konfrontation der Stilelemente aus den unterschiedlichen Kulturkreisen. Ungewohnt und gleichzeitig wohltuend wirkt die Tatsache, dass die Dramaturgie von klassischen Orchestermessen in dieser Messe kaum Anwendung fand: Gloria oder Sanctus stehen bei Palmeri nicht ausschliesslich für Glanz und Feierlichkeit. Credo, Benedictus oder Agnus Dei ebenso wenig nur für Tiefe und Besonnenheit. Der Chor agierte dementsprechend mit Leidenschaft, Temperament oder mystischer Ruhe. Und wo Entschleunigung angesagt war, faszinierte die Solostimme der Mezzosopranistin Johanna Ganz. Eingebettet in diese vokale Bandbreite agierte das professionelle Instrumentalensemble mit der Rhythmik und Melodik des Tango Nuevo.

 

Chorgesang setzt Zeichen für die Kirche

Da der musikalische Genuss in einen Festgottesdienst integriert war, sprach in Sarnen Pfarrer Bernhard Willi nach dem Evangelium in eindrücklichen Worten über den Chorgesang und seine wünschbare Bedeutung für die Kirche. «Das Singen hat ein sehr hohes Identifikationspotenzial», gab der Pfarrer zu bedenken. Elemente seien die gemeinsame Sprache; die einheitlichen Singstimmen und eine unglaubliche Energie durch den teils hochemotionalen Inhalt der Musik. Das zu erleben, sei ein besonderes Ereignis. Willi sah in seinen Ausführungen Parallelen zur Kirche: «Jede und jeder hat eine Stimme, die gehört werden soll und muss.» Es sei wichtig, alle mit auf den Weg zu nehmen - in welche Richtung dieser auch führen werde. Sein Verständnis von synodaler Kirche: «Alle sollen zu Protagonistinnen und Protagonisten werden, mitgestalten und mitentscheiden, wie wir unseren Weg als Kirche, als Seelsorgeraum in den Pfarreien gehen wollen.» Seine denkwürdige «Predigt» wurde mit anhaltendem Applaus bedacht.

 

Dankbarkeit und Freude

 Nach Beendigung des liturgischen Teils des Festgottesdienstes gab das Instrumentalensemble das berühmte Stück «Libertango» von Astor Piazzolla zum Besten. Der Chor klatschte dazu im Rhythmus und verlieh so seiner Dankbarkeit und Freude über das Gelingen dieses bedeutenden musikalischen Gemeinschaftsprojektes Ausdruck. In derselben Gefühlslage befand sich auch die Dirigentin Valérie Halter: «Ich bin total überwältigt, und zwar emotional. Es ist ganz einfach grossartig und berührt das Herz, was wir in dieser langen und intensiven Probezeit zusammen arbeitet haben.»